Im vergangenen Jahr ist das große Forschungsprojekt «SeeWandel: Leben im Bodensee – gestern, heute und morgen» zu Ende gegangen, das Wechselwirkungen von Stressfaktoren auf das Ökosystem des Bodensees untersucht hat. Nur am Rande eine Rolle gespielt haben dabei die Auswirkungen des Klimawandels – was nicht zuletzt damit zu tun hatte, dass dieser viel schneller zu einem wichtigen Einflussfaktor geworden ist als gedacht.
Vorhersagen fehlen
«Wir haben gesehen, dass die für 2030 prognostizierten Veränderungen bereits heute eingetroffen sind», sagt Piet Spaak von der Eawag, dem Wasserforschungsinstitut des ETH-Bereichs, der das SeeWandel Projekt leitete. Weil sich der Wandel viel schneller bemerkbar mache, so Spaak, fehlten Vorhersagen darüber, was im Bodensee in den nächsten zehn bis zwanzig Jahren unter Berücksichtigung der invasiven Arten und dem Klimawandel geschehen werde.
Nachfolgeprojekt zum Klimawandel
Solche Prognosen soll ein neues, groß angelegtes Forschungsvorhaben liefern, das vor kurzem ins Leben gerufen wurde. Es nennt sich «SeeWandel-Klima: Modellierung der Folgen von Klimawandel und Neobiota für den Bodensee». Die Idee dazu ist an einem Expertenworkshop der IGKB zum Thema Klimawandel entstanden, an dem das bestehende Wissen zu dessen Auswirkungen für den Bodensee zusammengetragen wurden. «Am Ende der Veranstaltung war klar, dass die Wissenslücken so groß sind, dass etwas geschehen musste», erzählt Piet Spaak, der auch das neue, bei der Kommissionstagung 2023 beschlossene, Projekt leitet. SeeWandel-Klima wird im Rahmen der grenzübergreifenden Zusammenarbeit durch das Programm Interreg VI gefördert – als «Leuchtturmprojekt».
Ziel des neuen Projekts ist es, die Folgen des Klimawandels und invasiver Arten für das Ökosystem Bodensee und dessen Nutzung abzuschätzen. Dazu werden Computermodelle eingesetzt, welche die sich ändernde Biologie und Ökologie des Sees für die kommenden Jahrzehnte prognostizieren. Ausgangspunkt der Simulationen, die mit diesen Modellen erstellt werden, sind sowohl bestehende Langzeitdaten als neue Daten. Sie ermöglichen es, Veränderungen im Nahrungsnetz zu erforschen, dies unter Berücksichtigung der Wechselwirkungen mit den Klimaänderungen. Dazu arbeiten Forschende und Ingenieure aus Deutschland, Österreich und der Schweiz eng vernetzt zusammen. Denn in allen Anrainerstaaten des Sees sind Behörden und Wirtschaft auf diese Vorhersagen angewiesen, um am Bodensee ein sogenanntes integrales Management betreiben zu können.
Von den Erfahrungen am Bodensee profitieren auch andere Regionen
Konkret werden die verschiedenen am Projekt beteiligten Forschungsinstitutionen, die gemeinsam neun Arbeitspakete behandeln, Fragen beantworten müssen wie: Wie wird sich die Quagga-Muschel in einem durch Klimaänderungen veränderten See ausbreiten? Steht den Fischen genügend Nahrung zur Verfügung, wenn sich die Planktongesellschaft klimabedingt ändert? Oder: Welche Folgen hat das für das Nahrungsnetz im See?
Von den im Rahmen von SeeWandel-Klima erarbeiteten Prognosemethoden sollen aber nicht nur die diversen Anspruchsgruppen am Bodensee profitieren. «Die Modelle, die wir in diesem Projekt entwickeln, können auch für andere Seen verwendet werden», sagt Forscher Piet Spaak. Behörden aus anderen voralpinen Regionen hätten bereits großes Interesse gezeigt.
Noch fehlen für den Bodensee Vorhersagen über die Folgen des Klimawandels der nächsten zehn bis zwanzig Jahre. (Bild: IGKB)