„Die Felchen können wieder erfolgreich im See laichen“

Alexander Brinker ist Professor für Fischökologie und Aquakultur und leitet die Fischereiforschungsstelle in Langenargen. Im Interview erläutert er, wie sich die Fischbestände im Bodensee entwickeln und warum ein regelmäßiges Fischmonitoring für das gesamte Ökosystem wichtig ist.

„Die Felchen können wieder erfolgreich im See laichen“

Alexander Brinker ist Professor für Fischökologie und Aquakultur und leitet die Fischereiforschungsstelle in Langenargen. Im Interview erläutert er, wie sich die Fischbestände im Bodensee entwickeln und warum ein regelmäßiges Fischmonitoring für das gesamte Ökosystem wichtig ist.

Alexander Brinker, im Herbst 2024 wurde wieder eines der seeweiten Fischmonitorings durchgeführt. Welche Bedeutung haben solche regelmäßigen Untersuchungen?

Sie sind elementar wichtig, um Informationen über die Zusammensetzung, die Veränderungen und Dynamiken im Fischbestand des Sees zu bekommen. Es hört sich vielleicht verwunderlich an, dass man bei einem so gut untersuchten See noch ein derartiges Monitoring benötigt. Aber der See ist extrem groß und komplex, und nur mit einer solchen – ich möchte sagen – Gewaltaktion kann man überhaupt quantitative und räumliche Daten über die Fische im Bodensee gewinnen. Das ist alternativlos, wenn man schauen möchte, was im Gewässer passiert.

Da tut sich ja gerade ziemlich viel.

Ja, so ein Monitoring wird umso wichtiger, je stärker sich die äußeren Bedingungen verändern. Dazu zählen heute der Klimawandel, invasive Arten wie die Quagga-Muschel oder die Stichlinge – all das nimmt stark Einfluss auf die Ökologie des Sees. Wenn man sich für Auswirkungen dieser Veränderungen interessiert, kommt man um so ein Monitoring nicht herum.

Das zeigen ja auch die bisherigen Erfahrungen mit diesen Erhebungen…

Genau. Schon bei den letzten Monitorings sind Dinge aufgetaucht, die man einfach nicht auf dem Schirm hatte. Zum Beispiel ist das massenhafte Erscheinen der Stichlinge 2014 erst durch das Monitoring aufgefallen. Eine sehr schöne Beobachtung im Rahmen dieser Kampagne war die Wiederentdeckung des Tiefseesaiblings, der nur im Bodensee vorkommt. 40 Jahre lang hatte man gedacht, er sei ausgestorben.

Wie muss man sich ein Monitoring vorstellen?

Es gilt, Methoden zu wählen, mit denen man ein derart großes System wie den Bodensee mit mehr als 30 Fischarten gut und möglichst repräsentativ befischen kann. Dazu arbeiten wir zum einen mit Multimaschen-Kiemennetzen – einem passiven Fanggerät, in dem unterschiedlich große Fische gefangen werden können. Und zum anderen im Flachwasserbereich mit der Elektrofischerei, einem aktiven Fanggerät. Wichtig ist, dass man die Probestellen zufällig über den See verteilt, um die verschiedenen Lebensräume und Tiefenstufen zu erfassen. So bekommt man wirklich repräsentative Daten und kann sicher sein, dass es keine systematischen Fehler gibt – wie etwa, wenn man sich nur fischereiliche Daten anschauen würde.

Gibt es schon erste Ergebnisse?

Wir befinden uns zwar noch in einem sehr vorläufigen Stadium der Auswertung, aber das augenscheinlichste und wichtigste Ergebnis ist, dass die Stichlinge im Vergleich zu früher deutlich zurückgegangen sind. Das haben auch Echolotfahrten bestätigt. Der Bestand ist um ungefähr 80 Prozent eingebrochen.

Wie lässt sich das erklären?

Dazu haben wir uns viele Gedanken gemacht. Naheliegend wäre eine Krankheit. Oder Hochwasser, das Stichlingen gerade in der Laichzeit Probleme bereiten kann. Oder eine Kombination aus beidem. Andere Hinweise habe ich leider nicht.

Wie sieht es bei den Felchen aus? Da gab es ja einen dramatischen Bestandseinbruch.

Deswegen wurde eine Schonung über drei Jahre ausgesprochen. Nun ging es den wenigen Felchen, die beim Monitoring gefangen wurden, individuell recht gut. Sie können offenbar auch wieder erfolgreich im See laichen.

Also haben sich der Rückgang der Stichlinge und die Schonmaßnahmen positiv auf die Felchen ausgewirkt?

So kann man es kurz zusammenfassen. Das sind wichtige Grundvoraussetzungen dafür, dass sich die Felchen vielleicht erholen. Der Bestand als solcher befindet sich aber immer noch in einem sehr prekären Zustand.

Kaum jemand weiß besser Bescheid über die Fischpopulationen im Bodensee als Alexander Brinker, der Leiter der Fischereiforschungsstelle in Langenargen. (Bild: LAZBW/Felix Kästle)

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