Editorial

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Mueller Stephan Chefderabteilungwasser

Liebe Leserinnen und Leser,

ich bin in Schaffhausen aufgewachsen und habe in meiner Jugend viel Zeit am Untersee verbracht. Ich kann deshalb aus eigener Erfahrung sagen, dass der Bodensee ein höchst attraktives Naherholungsgebiet ist – nicht nur für Jugendliche, die ihre Grenzen ausloten wollen. Und auch in Zeiten des Coronavirus ist der Bodensee wichtig, wenn die Einheimischen das Beste aus ihrer eingeschränkten Bewegungsfreiheit machen und den See genießen. 

Längst entdecken auch immer mehr Auswärtige die Reize dieser Landschaft: Die Tourismusregion Bodensee zählt über 20 Millionen Gästeübernachtungen pro Jahr – Tendenz in den vergangenen Jahren kontinuierlich steigend. 2019 meldeten gleich mehrere Destinationen rund um den See neue Besucherrekorde. Das ist eine erfreuliche Entwicklung, denn der Tourismus stellt für die gesamte Region einen nicht zu unterschätzenden Wirtschaftsfaktor dar.

Zwar bleiben im Moment die Besucherinnen und Besucher aus, doch die Corona-Krise wird vorbei gehen, und in Zukunft dürfte der Bodensee dann sogar noch an Attraktivität gewinnen. Wenn der Klimawandel am Mittelmeer für unerträgliche Sommerhitze sorgt, überlegen sich Menschen aus ganz Europa, ob sie ihre Ferien nicht vielleicht lieber in einem etwas gemäßigterem Klima verbringen wollen. Kommt dazu: Die Region ist mit der Bahn gut erschlossen und damit ein ideales Reiseziel für Leute, die sich beim Fliegen einschränken wollen.

Welche Besucherströme diese Entwicklung dem drittgrössten See Mitteleuropas tatsächlich bescheren wird, lässt sich allerdings kaum vorhersagen. Eines aber ist klar: Mehr Menschen im und am See können eine zusätzliche Belastung für seine Ökosysteme darstellen.

Wenn wir über die künftige Nutzung des Bodensees nachdenken, sollten wir also auch über den steigenden Nutzungsdruck am und um den See sprechen. Selbstverständlich gemeinsam und über die Landesgrenzen hinweg. So wie das die Internationale Gewässerschutzkommission für den Bodensee (IGKB) mit Erfolg tut.

Seit ihrer Gründung 1959 leben wir diese Art von Dialog zwischen den Anrainerstaaten Deutschland, Schweiz und Österreich sowie dem Fürstentum Liechtenstein vor. Der offene Austausch bewährt sich – und er dürfte künftig noch an Bedeutung gewinnen, nicht nur der neuen touristischen Herausforderungen wegen.

Die IGKB will mit ihren Projekten direkt vor Ort am Bodensee präsent sein und möglichst viele Akteurinnen und Akteure in ihre Anstrengungen mit einbeziehen. Unser gemeinsames Ziel bleibt dabei dasselbe: Den Bodensee ganzheitlich schützen – nicht nur als Lebensraum für Tiere und Pflanzen, sondern auch als Erholungsgebiet für Besucherinnen und Besucher aus Nah und Fern.

Dr. Stephan R. Müller
Bundesamt für Umwelt, Bern
Vorsitzender der IGKB

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