Stichling verdrängt Felchen

Den Felchen im Bodensee geht es nicht gut. Seit Jahren verfangen sich immer weniger dieser schmackhaften Fische in den Netzen der Berufsfischer. Schuld daran sind nicht zuletzt die Stichlinge.
Dreistachliger Stichling

Stichling verdrängt Felchen

Den Felchen im Bodensee geht es nicht gut. Seit Jahren verfangen sich immer weniger dieser schmackhaften Fische in den Netzen der Berufsfischer. Schuld daran sind nicht zuletzt die Stichlinge.

In den vergangenen Jahren sind die Felchen-Fänge dermaßen zurückgegangen, dass die Internationale Bevollmächtigtenkonferenz für die Bodenseefischerei (IBKF) im Juni dieses Jahres ein Maßnahmenpaket beschlossen hat, um «die Felchen zu schonen und eine nachhaltige Fischerei zu erhalten». Unter anderem gilt ein dreijähriges Fangverbot für den Fisch. Mögliche Gründe für die besorgniserregende Entwicklung werden derzeit von verschiedenen Institutionen intensiv untersucht. Die gravierenden Veränderungen in der Fischgemeinschaft sind auch ein Schwerpunkt des Forschungsprojekts SeeWandel.

Für die Felchen, den «Brotfisch» der Berufsfischerei am Bodensee, sind seit 1911 detaillierte Fangzahlen verfügbar. Sie zeigen, dass es bei den Erträgen immer starke Schwankungen gab. So auch in den Zeiten der starken Nährstoffanreicherung des Sees mit Werten von mehr als 80 Mikrogramm Phosphor pro Liter Seewasser (μg/l). Damals wechselten sich extrem gute mit schlechten Fangjahren ab. Gleichbleibend hoch waren die Erträge, als der See Phosphorgehalte von weniger als 35 μg/l aufwies. Als der Wert dann unter 10 μg/l sank, wurden weniger Felchen gefangen.

 

Massiver Einbruch der Felchen-Erträge

Seit 2012 die stürmische Verbreitung des Stichlings eingesetzt hat, wird ein weiterer erheblicher Rückgang der Felchen-Erträge verzeichnet. 2022 erlebte die Fischerei einen Einbruch von mehr als 80 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Bei diesem Rückgang müssen andere Faktoren eine entscheidende Rolle gespielt haben als die zurückgegangene Nährstoffbelastung. Die Forschungsergebnisse der letzten Jahre zeigen, dass die Felchen stark unter Druck des Stichlings geraten sind.

Früher hielt sich dieser kleine, nur bis zehn Zentimeter lange Fisch praktisch ausschließlich in Ufernähe auf. Inzwischen hat er aus bisher unbekannten Gründen das Freiwasser erobert und macht hier rund 90 Prozent der Fischindividuen aus. Da die Felchen viel größer sind, verkörpern sie zwar immer noch etwa drei Viertel der Biomasse, doch dem Felchen-Nachwuchs nützt das wenig: Der Stichling frisst die Eier der Felchen und erbeutet auch frisch geschlüpfte Larven. Dies belegen Felchen-Larven, die Forschende im Magen von Stichlingen gefunden haben. Der Rekord liegt bei 36 Larven pro Fisch. Gefressen wurden sie kurz nachdem sie aus der Fischbrutanstalt im See ausgesetzt worden waren. Die Erklärung für dieses Massenfressen: Im Freiwasser hatten die Felchen-Larven bisher praktisch keine Feinde, weshalb sie auch keine Abwehrmechanismen entwickelt haben. Kommt hinzu, dass der Stichling sowohl dem Felchen-Nachwuchs als auch den ausgewachsenen Felchen förmlich die Nahrung wegfrisst. Große Zooplankter, von denen sich der Stichling – aber auch die Felchen – mit Vorliebe ernähren, sind im Freiwasser mittlerweile selten geworden.

Stichling Im Netz
Der Stichling macht im Freiwasser des Bodensees rund 90 Prozent der Fischindividuen aus. (Bild: Fischereiforschungsstelle BW)

Zusätzliche Wirtschaftsfischarten

Das Maßnahmenpaket der IBKF zum Schutz der Felchen zielt unter anderem auch darauf ab, den Stichling zu bekämpfen. Vorgesehen ist «die Überprüfung von Nutzungs- und Eindämmungsmöglichkeiten der invasiven gebietsfremden Stichlinge», so die IBKF. Zudem will man Anpassungen im Felchen-Besatz vornehmen und hier vor allem das Aussetzen junger Felchen aus Brutanstalten optimieren. Den Fischern soll dadurch geholfen werden, dass zusätzliche Netztypen erlaubt wurden. Dank ihnen lassen sich die Wirtschaftsfischarten Rotauge, Barsch, Hecht und Wels, die für die Fischerei im Bodensee immer wichtiger werden, besser fangen.

Headerbild: Der Dreistachlige Stichling Gasterosteus aculeatus. (Bild: Wikimedia Commons)

Weitere Artikel

Quagga-Muschel beeinflusst See

Taucher haben die Quagga-Muschel zum ersten Mal 2016 im Bodensee entdeckt. Seit diesem Fund bei Wallhausen im Überlinger See hat sich die ursprünglich aus dem Schwarzmeergebiet stammende Muschel massiv ausgebreitet.

Mehr lesen

Der Bodensee verändert sich

Fünfeinhalb Jahre lang haben Forschende aus drei Ländern den Einfluss und die Wechselwirkungen von Stressfaktoren auf das Ökosystem des Bodensees untersucht. Nun ist das aus 13 Teilprojekten bestehende große Forschungsvorhaben «SeeWandel: Leben im Bodensee – gestern, heute und morgen», das die IGKB angestoßen hat, mit zwei großen Abschlussveranstaltungen in Konstanz zu Ende gegangen.

Mehr lesen