Im Rahmen des mehrjährigen, groß- angelegten Forschungsvorhabens «Projet Lac» haben Forschende der Eawag, dem Wasserforschungsinstitut der ETH Zürich, und der Uni Bern in Zusammenarbeit mit weiteren Institutionen und Wasserbehörden seit 2010 insgesamt 35 Seen im Alpenraum untersucht – darunter auch der Bodensee. In den Seen, die in der Schweiz, Italien, Frankreich, Deutschland und Österreich liegen, wurden die Fische mit Kiemennetzen in unterschiedlichen Tiefen gefangen. Die flachen Uferzonen wurden elektrisch befischt. Parallel dazu durchgeführte Untersuchungen mit dem Echolot sollten die Verteilung von Fischen in der Wassersäule erfassen. Die Tiere wurden vermessen, gewogen und fotografiert, zudem wurden Gewebeproben entnommen und einzelne Individuen konserviert. Sie bilden die Basis für eine Referenzsammlung am Berner Naturhistorischen Museum.
Ökosysteme mit Seltenheitswert
In dem nun vorliegenden Abschlussbericht werden von der Nutzung durch den Menschen bis zu den Umweltparametern alle Faktoren analysiert, die einen Einfluss auf die Vielfalt und Struktur der jeweiligen Fischgemeinschaften haben. Insgesamt stellt der Bericht fest, dass die «großen und tiefen Seen im europäischen Alpenraum ein einzigartiges Ökosystem bilden, das in Europa Seltenheitswert hat und von anderen, ähnlichen Ökosystem getrennt ist.» Besonders bedeutungsvoll ist dabei die Uferzone, wo die größte Anzahl an Fischarten im Mündungsbereich der Zuflüsse gefunden wurde. «Je nach Habitattyp im Uferbereich finden sich unterschiedliche Arten bzw. Altersstadien einer Art, was die große Bedeutung von vielfältigen Uferhabi-
taten für die Fischdiversität in einem See unterstreicht», heißt es dazu im Abschlussdokument.
Teilberichte über die Befischungsergebnisse der einzelnen Seen wurden bereits direkt nach den dort durchgeführten Untersuchungen veröffentlicht, so auch für den Bodensee. Hier wurden mindestens 30 Arten nachgewiesen. Das bedeutet: ein bedeutender Teil der mehr als 106 Arten, die insgesamt im Zuge des «Projet Lac» gefunden wurden, leben im Bodensee. Besonders erfreulich war der Nachweis des Tiefseesaiblings, einer Fischart, die bis dahin als ausgestorben galt. Der ebenfalls als ausgestorben geltende Kilch, eine früher in den Tiefenregionen des Sees beheimatete Felchenart, konnte leider nicht mehr gefunden werden.
Guter ökologischer Zustand des Bodensees
Insgesamt ergab die Untersuchung, dass sich der Bodensee mit Blick auf die Fischfauna in einem «guten ökologischen Zustand» befindet. Und dies, obwohl sich im Freiwasser vor allem des Obersees der Stichling massenhaft ausgebreitet hat, der ursprünglich nicht im See heimisch war. Dagegen wurde der Felchen, die eigentlich in diesem Lebensbereich dominierende Art, nur in «vergleichsweise geringen Dichten nachgewiesen». Die Ursachen dieses von den «Projet-Lac»-Forschenden als «außergewöhnliche Abweichungen vom Ursprungszustand» bezeichneten Ereignisses werden derzeit wissenschaftlich intensiv untersucht.
Als eine der wichtigsten Empfehlungen halten die Autoren fest, dass die «Schlüsselfaktoren» des Seeökosystems wieder hergestellt werden müssten. Während viele Ufer durch starke Bebauung beeinträchtigt sind, leiden die tieferen Wasserzonen in nährstoffreichen Seen im Sommer unter Sauerstoffmangel. Dies und ein möglichst naturnahes Netzwerk aus dem See und seinen Zuflüssen sind die besten Voraussetzungen, um im Bodensee und den anderen Stehgewässern im Alpenraum heimischen Fischarten zu schützen und zu erhalten – ein Ziel, das sich auch die IGKB auf die Fahne geschrieben hat.